Roland Geiger ist ehrenamtlicher Sterbebegleiter bei uns und nebenberuflicher Fotograf. Was lag daher näher, als ihn zu fragen, ob er sich den Bildern für unsere neue Website widmen mag? Wie er sich dem Thema genähert hat, und wie er sein Ehrenamt wahrnimmt, schildert er im Interview.
Roland, du hast das Fotokonzept für diese Webseite mit entwickelt und realisiert. Welche Überlegungen liegen dem zugrunde?
Für uns war sehr schnell klar, dass wir unsere Arbeit bildlich darstellen wollen, aber nicht mit Stock-Fotos, Fotos wie aus dem Hochglanzprospekt oder auch Fotos mit der für die Hospizarbeit „typischen“ Symbolik arbeiten wollten. Und das hieß dann auch: Auf den Fotos sollten die Menschen aus dem Team der Ehrenamtlichen und der Leitung zu sehen sein und nicht professionelle Models.
Ich habe zunächst ein Moodboard mit Fotos aus dem Internet erstellt. Auch wenn das nicht so ergiebig war wie bei anderen Themen - da Hospizarbeit dann doch kein Mainstream-Thema ist - half es trotzdem bei der Diskussion mit dem Leitungsteam, um ein konkreteres gemeinsames Verständnis zu entwickelt, wie die Zielfotos aussehen sollten und wie nicht.
Ein weiterer wichtiger Punkt war, wie präsent Fotos auf der Webseite sein sollen: benötigen wir nur einzelne Fotos als Beiwerk, damit die Webseite nicht nur Text beinhaltet? Oder wollen wir auch kleine Fotoserien gezielt einsetzen, um eine Message zu transportieren? Hier war dann relativ schnell klar, dass wir für die wesentlichen Rubriken rund um den Hospizdienst kleine Fotoserien einsetzen wollen, um unsere Arbeit auch visuell zu zeigen. Und wie sich bei der späteren Auswahl zeigen sollte war es sehr schwer, mit einigen wenigen Fotos unsere vielfältige Arbeit zu zeigen, so dass es dann doch ein paar mehr Fotos auf die Webseite geschafft haben als in der Planungsphase zunächst angedacht war.
Wie bist du an die Umsetzung der Fotos herangegangen?
Nach den Diskussionen im Team musste ich mir überlegen, wie viele Shootings wir benötigen, um die komplette Webseite zu bebildern, welche Fotos wir bei welchem Shooting erstellen wollen, wie viele Setups wir innerhalb eines Shootings benötigen, wie viele Personen wir für jedes Setup involvieren, welche Requisiten wir brauchen und wie das Licht sein soll. Ein Knackpunkt ist dann meistens die dafür passende Location zu finden und natürlich die Models. Toll und fast etwas überraschend war, dass sich doch so viele von unseren Ehrenamtlichen gemeldet haben, um mitzuwirken! Und das auch bei teils sehr herbstlichen Temperaturen bei einem Shooting draußen.
Einen Hospizdienst zu bebildern empfand ich als eine Herausforderung, weil es so ein besonders sensibler Bereich bezüglich der Bildwirkung ist. Beispielsweise wollten wir gemeinsames Lachen zeigen, so wie es eben auch stattfindet bei unserer Arbeit, aber gleichzeitig darf es in der Gesamtwirkung nicht zu dominant erscheinen, weil andere Aspekte wie das emphatische Zuhören oder auch die Anteilnahme extrem wichtig sind. Das Darstellen einer solchen Bandbreite von Emotionen innerhalb eines Shootings ist eher selten.
Neben deines Hauptjobs als Ingenieur arbeitest du nebenberuflich als Fotograf. Was für Projekte setzt du sonst um?
Ich fotografiere vor allem Menschen und am liebsten Reportagen, weil man dabei aus der eigenen "Bubble" herauskommen und in die Welt von anderen Menschen eintauchen kann. Wann hat man zum Beispiel schon die Gelegenheit, einen Einblick zu erhalten, wie ein Blechblasinstrument gebaut wird, wie die Frauen und Männer vom THW arbeiten, wie unsere MdBs und MdLs agieren, wenn die Fernsehkameras aus sind, wie eine deutsch-griechische Hochzeit abläuft oder wer weiß schon was genau „Grand jeté“ und „Pas de Chat“ ist? Manchmal ist es aber auch einfach nur ein einzelnes Portrait im Studio von einem Menschen oder auch von einem Tier und dann wiederum 30 Portraits von 30 Menschen an einem Tag. Ich mag diese Abwechslung!
Jetzt musst du uns aber verraten, was „Grand jeté“ und „Pas de Chat“ ist.
Ich denke, zwei Bilder sagen mehr als tausend Worte:
Und im Ehrenamt bist du nun Sterbebegleiter beim Humanistischen Hospizdienst. Was hat dich dazu geführt?
Das war eine Summe von mehreren Dingen. Auf jeden Fall der Zivildienst! In dieser Zeit habe ich mit Menschen mit Handicap gearbeitet und empfand das als bereichernd und sinnstiftend. Außerdem ist eine Freundin von mir seit 20 Jahren in der Sterbebegleitung tätig, so dass mir dieses Ehrenamt von Erzählungen her recht bekannt war. Und ein weiterer Grund ist sicherlich meine Großmutter, die ich in den letzten Wochen ihres sehr langen Lebens recht intensiv begleiten konnte und ich zudem auch die hilfreiche Unterstützung eines Hospizdienstes aus Sicht eines Angehörigen kennenlernen durfte.
Du hast den Qualifizierungskurs 2023 abgeschlossen. Wie hast du diese Ausbildung wahrgenommen, was hast du gelernt?
Zunächst einmal ist es super spannend, wenn elf Kursteilnehmende und zwei Kursleitende zusammenkommen, die vorher keine oder kaum Berührungspunkte miteinander hatten. Wir waren eine bunte Gruppe von Frauen und Männern zwischen 24 und 70 Jahren, die so unterschiedliche Lebensmodelle leben und Lebenswege gehen, wie ihre Berufe und Hobbys sind.
Zum einen haben wir einiges an Theorie gelernt: die Geschichte der Hospizbewegung, Kommunikationsmodelle, Trauerphasen, Wert- und Normensysteme, Einblicke in die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) und noch vieles mehr. Zum anderen haben wir neben einem Praktikum in einem Seniorenheim und bei einem Bestatter viele praktische Übungen wie Rollenspiele gemacht oder uns gegenseitig unsere Soziogramme aufgezeigt. Es war ein intensives gemeinsames Arbeiten, bei dem viel gelacht wurde und in der einen oder anderen Situation auch einige Tränen geflossen sind. Ich vermisse die Kursabende, aber es ist schön, dass sich die Gruppe weiterhin regelmäßig trifft. Und das Wichtigste: Wir sind natürlich inzwischen auch in den Begleitungen im Einsatz und können die gelernten Dinge nun konkret umsetzen.
Worauf freust du dich aktuell, mit Blick auf dieses besondere Ehrenamt?
Ich bin weiterhin gespannt darauf, viele verschiedene Menschen kennen zu lernen, die dabei sind, sich aus dem Leben zu verabschieden beziehungsweise einen Angehörigen oder einen Freund oder eine Freundin haben, der oder die dies tut. Und zu erleben, wie unterschiedlich dieser Weg sein kann und wie unterschiedlich Menschen damit umgehen. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Art und Weise, wie wir Menschen unseren letzten Lebensabschnitt verbringen, ganz wesentlich beeinflusst, ob wir auf unser Dasein rückblickend insgesamt zufrieden blicken und es zufrieden verlassen können oder nicht. Und ich hoffe, dass wir vom Hospizdienst hierbei einen kleinen positiven Beitrag leisten können.
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